Frankfurt am Main, Stärkung der lokalen Wirtschaft durch die Energiewende!
Die Zusammenfassung
Frankfurt am Main ist ein Beispiel dafür, wie die lokale Wirtschaft durch den Übergang zu 100 % erneuerbarer Energie gestärkt werden kann. Insgesamt hat die Stadt ihre Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 und 2012 um 15 % reduziert, während die lokale Wirtschaft um 50 % gewachsen ist.
Der Kontext
Frankfurt ist als globales Finanz- und Dienstleistungszentrum bekannt. Sie ist der Mittelpunkt der dynamischen Rhein-Main-Region und verfügt über einen der größten Flughäfen Europas. Im Jahr 2015 lag die Zahl der Pendler bei 348 000. Als eine der am dichtesten besiedelten Städte Deutschlands mit rund 729 000 Einwohnern importierte Frankfurt im Jahr 2010 rund 95 % seines Energieverbrauchs von insgesamt 22 600 GWh.
Die Maßnahmen
Im Jahr 2008 verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung einen Energie- und Klimaaktionsplan mit 50 konkreten Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Zentrale Elemente waren die Senkung des Wärme- und Energiebedarfs durch Belohnung von Stromeinsparungen in Privathaushalten, Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit, die Modernisierung von Wohngebäuden und die Förderung der Energieeffizienz in Unternehmen. Im Anschluss an sein frühes Klimaschutzkonzept entwickelte Frankfurt einen so genannten „Masterplan für 100 % Klimaschutz“, der vorsieht, dass der Energieverbrauch der Stadt bis 2050 zu 100 % durch lokale und regionale erneuerbare Energiequellen gedeckt wird. In einem ersten Schritt zur Umsetzung des Masterplans wurden Frankfurts Energieverbrauch und Einsparpotenziale zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen für jeden Sektor umfassend analysiert.
Mit Unterstützung einer Machbarkeitsstudie wurden maßgeschneiderte Empfehlungen für die Teilbereiche (Sektoren) Frankfurts entwickelt – unter Berücksichtigung der „lokalen DNA“.
Von 2014 bis 2015 hat das Fraunhofer-Forschungsinstitut verschiedene Energieszenarien auf Stundenbasis simuliert, die zeigen, dass der Energiebedarf bis 2050 tatsächlich durch lokale erneuerbare Energien gedeckt werden kann, und entsprechende Umsetzungsstrategien empfehlen. Anhand von Energieszenarien, die jeden Sektor abdecken, wurde eine konkrete Zuordnung von erneuerbaren Energiequellen definiert, die zu einer konkreten EE- und Energieeffizienzstrategie führt.
Die Herausforderungen
Fraunhofer-Studien hatten gezeigt, dass die Stadt Frankfurt ihr Ziel „100 % erneuerbare Energien“ nicht aus eigener Kraft erreichen kann. Um ihren Energiebedarf zu decken, musste die Unterstützung der Stadt und der Region für Windkraft und Biomasse sichergestellt werden.
Man entschied sich für eine Win-Win-Lösung: Im Tausch gegen die erneuerbaren Energieressourcen und die bewährten Praktiken der Metropolregion stellte die Stadt ihr Fachwissen über Energieeffizienz und Passivhausstandards zur Verfügung.
Das Modell
Ein Kernelement des Frankfurter Masterplans ist die Kombination eines Top-down- und eines Bottom-up-Ansatzes. Der Masterplan wurde ab 2013 in einem partizipativen Prozess entwickelt. Regionale Experten wirkten in verschiedenen Arbeitsgruppen mit, etwa zu den Themen Energieversorgung der Zukunft, Gebäude, Mobilität, Bildung, Wirtschaft und Wertschöpfungsketten. Insgesamt haben rund 100 Institutionen und 150 Experten an dem Weg zu einer 100%igen erneuerbaren und dezentralen Energieversorgung bis zum Jahr 2050 mitgewirkt und Strategien und Maßnahmen erarbeitet, die umgesetzt werden sollen. An der Umsetzung des Frankfurter Masterplans ist ein breites Bündnis aus Architekten, Stadtplanern, Ingenieuren, Beratern, lokalen Unternehmen sowie Anwohnern beteiligt. Seit 2013 haben sich rund 100 Institutionen mit etwa 150 Experten in Strategiegruppen engagiert. Eine Bürgerdialogplattform mit mehreren Veranstaltungen, Diskussionen und Foren wurde eingerichtet, um Akteure in die Stadtentwicklung einzubinden. Dies soll eine ganzheitliche Berücksichtigung der „lokalen DNA“ gewährleisten, da verschiedene lokale Interessengruppen und Experten tief in den Übergangsplan der Stadt eingebunden sind. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass einkommensschwache Familien davon profitieren können.
Die Menschen
Der Frankfurter Stadtrat war die treibende Kraft hinter den Maßnahmen. Das Engagement der Stadt Frankfurt im Kampf gegen den Klimawandel ist nicht neu: Bereits 1983 wurde ein Energiebüro im Hochbauamt der Stadt eingerichtet. Die Stadt erneuerte ihr Engagement 1990 mit der Gründung des Energiereferats, der städtischen Energieagentur. Wiebke Fiebig ist seit 2013 Leiterin dieser Agentur.
Die Kunden
Die lokale Bevölkerung ist der Hauptnutznießer des Plans. Eine Umfrage aus dem Jahr 2015 ergab, dass 85 % der Frankfurterinnen und Frankfurter den Klimaschutz als wichtig erachten. Die Stadt richtete 2015 ein Kommunikationsbüro nur für Klimaschutzfragen ein und entwickelte eine einzigartige Marke namens „Team Frankfurt Klimaschutz 2050“, um bestehende Initiativen und Projekte zu vereinen, gemeinsame Ziele hervorzuheben und Synergien aufzuzeigen.
Die „DANKE“-Initiative zielt beispielsweise darauf ab, jeden Einwohner mehr als 20 Mal zu erreichen, um individuelles Klimahandeln zu würdigen. Dazu wurden großflächige elektronische Plakate (CLPs) an öffentlichen Plätzen in der Stadt aufgehängt, ein Imagefilm in den Weihnachtsmonaten in den Kinos gezeigt, Zahlen und Fakten sowie Empfehlungen und Anregungen zum Klimaschutz auf der Online-Plattform www.klimschutz-frankfurt.de veröffentlicht und über soziale Medien verbreitet.
„In unserer aktuellen Kampagne bedanken wir uns bei den Menschen für ihre Klimaschutzbemühungen. Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, um Türen zu öffnen“, so Wiebke Fiebig, Leiterin der städtischen Energieagentur Frankfurt am Main.
Das Geld
Von 2013 bis 2016 erhielt die Stadt Frankfurt am Main rund 800.000 Euro vom Bund für Klimaschutzaktivitäten. Frankfurts Ziel, 100 % erneuerbare Energien zu nutzen, ist auch eng mit der Klimastrategie der Stadt und dem nationalen politischen Rahmen verknüpft. Auf nationaler Ebene stößt die Nationale Klimaschutzinitiative ab 2013 Klimamaßnahmen auf regionaler und lokaler Ebene an und unterstützt sie. Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben Zuschüsse bereitgestellt, um diesen Übergang zu unterstützen.
Das Replikationspotenzial
Im Allgemeinen bringt der Übergang zu einer Gesellschaft, die vollständig auf erneuerbare Energien setzt, zusätzliche Vorteile für die lokale Bevölkerung mit sich, vor allem durch die Verringerung der Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, was zu einer besseren Gesundheit führt. Außerdem gewährleistet die lokale Produktion von erneuerbaren Energien die Energiesicherheit und bietet Möglichkeiten für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung. Durch die Beteiligung von Experten und Einwohnern wurde eine breite Koalition geschmiedet, die die Menschen vor Ort stärkt und das Potenzial der Stadt und ihrer Region optimal nutzt.
Die Auswirkungen
- Da die Stadtwerke als Hauptträger der Energiewende fungieren, profitiert die Stadt Frankfurt von Einsparungen durch eine höhere Energieeffizienz.
- Durch die Initiative „Frankfurt spart Strom“ haben private Haushalte rund 657 Tonnen CO2 eingespart, was dem Ausgleich von etwa 26 298 Bäumen entspricht (Stadt Frankfurt, 2017).
- Mehr als 1 600 Vor-Ort-Beratungen in Privathaushalten zwischen Juni 2015 und Dezember 2016 führten zu langfristigen Einsparungen von rund 165 800 Euro. (Stadt Frankfurt).
- Dank des Programms „Kühlschrankabwrackung“ tauschten zwischen Juni 2015 und Dezember 2016 rund 230 einkommensschwache Haushalte ihren Kühlschrank aus und installierten innovative, effiziente Technologien zum halben Preis.
Die Zahlen
- 22 600 GWh importierte Energie vor dem Masterplan;
- 95 % erwartete Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2050;
- 800 000 EUR von der nationalen Regierung in 4 Jahren erhalten.
Die nächsten Schritte
Die Stadt plant, zusätzliche Ressourcen für die Umsetzung ihres Plans freizusetzen. Mit diesem Fahrplan will Frankfurt seine Energieimportkosten von 2 Mrd. EUR pro Jahr auf Null senken. Entsprechend sollen die CO2-Emissionen bis 2050 um 95 % gesenkt werden. Statt weiterhin von Energieimporten abhängig zu sein, will Frankfurt lokale und regionale Ressourcen nutzen und gleichzeitig Einnahmen für Investitionen in die regionale Wirtschaft schaffen. Um erfolgreich zu sein, muss der Gesamtenergieverbrauch in Frankfurt um 50 % gesenkt werden. Die verbleibenden 50 % des derzeitigen Energieverbrauchs sollen durch eine lokale Versorgung mit erneuerbaren Energiequellen innerhalb Frankfurts und der Rhein-Main-Region gedeckt werden.